Lärm stört die Kommunikation, Lärm ärgert, Lärm vermindert die Leistungsfähigkeit, Lärm macht müde – und Lärm verdirbt den Appetit in Restaurants und Hotels. Mit akustisch richtig gestalteten Räumen, kann viel gegen Lärm getan werden. Im Folgenden werden Aspekte der raumakustischen Gestaltung besonders von Räumen in der Gastronomie und in Hotels behandelt.
Kurt Eggenschwiler, Abteilung Akustik/Lärmminderung, Empa Dübendorf (Schweiz)
Raumakustik – ein wichtiger Gestaltungsfaktor
Raumakustik und Lärmbekämpfung sind leider eine manchmal vergessene Dimension der architektonischen Gestaltung. Mit den heutigen Werkzeugen der Akustik und mit den Ergebnissen der Psychologie – gepaart mit der (zu schulenden) Vorstellungskraft von Architektinnen und Architekten – sind aber für alle Raumtypen mit verschiedenen Gestaltungszielen individuelle Lösungen realisierbar. Erreicht werden können so z.B.
Restaurants und Cafeterien mit einem niedrigen Lärmpegel für eine mühelose Kommunikation für Normalhörende und Hörbehinderte
Lobbys, Foyers in Hotels die nicht lärmig sind,
Konferenzräume und Sitzungszimmer in Konferenzhotels mit guter Sprachverständlichkeit und einer angenehmen Klangästhetik.
Zusammenfassend Räume, in denen Menschen arbeiten, kommunizieren, sich verpflegen und erholen können. Dabei geht es nicht nur um Lärmbekämpfung, sondern auch um eine Gestaltung des Klangraums.
Lärm und langer Nachhall
In Räumen sind Lärm und langer Nachhall störend. Langer Nachhall entsteht, wenn die Raumbegrenzungsflächen vor allem aus schallharten Materialien bestehen. Der Schall wird lange praktisch verlustlos reflektiert und klingt nur langsam aus.
Lärm und Nachhall stören die Kommunikation. Besonders betroffen sind Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit. Aber auch für Normalhörende ist die Grenze rasch erreicht, wo das Gesagte nicht mehr verständlich ist. Häufig belästigt uns Lärm, er ärgert uns. Am Arbeitsplatz führt Lärm zu Leistungseinbußen und zur Ermüdung. Auch bei Geräuschen die wir noch gar nicht als belästigend erleben, wie z.B. im Büro bei unverständlicher Sprache im Hintergrund, sind diese Effekte nachweisbar. In Klassenzimmern wird der Lernerfolg durch Lärm und Nachhall stark vermindert, und für die Lehrpersonen ist der Unterricht sehr anstrengend, was zu Müdigkeit, Kopf- und Halsschmerzen führt.
Stark vereinfacht kann der Einfluss des Nachhalls auf die Sprachverständlichkeit wie folgt beschrieben werden:
In lärmigen und halligen Räumen stellt sich eine ungute Dynamik ein: die sogenannte Lärmspirale. In lauten Räumen sprechen Leute lauter, um besser verstanden zu werden. Es wird dabei lauter, weshalb die Leute lauter sprechen … (siehe Abbildung 2)
Abbildung 2 Lärmspirale
Raumakustische Grundlagen
Wie hängen aber die Raumgestaltung und der Nachhall zusammen? Was kann gegen Lärm und langen Nachhall getan werden? Antworten erhalten wir aus den Zusammenhängen der Raumakustik.
Stark vereinfacht gilt für den Lärmpegel in Räumen.
Am wichtigsten: Je mehr schallabsorbierende (schallschluckende) Materialien sich im Raum befinden, umso leiser wird es im Raum.
je lauter die Schallquelle ist, umso lauter wird es im Raum.
Für den Nachhall gilt:
Der Nachhall ist umso länger, je größer das Raumvolumen ist und je mehr die Materialien den Schall reflektieren.
Der Nachhall ist umso kürzer, je mehr schallabsorbierendes Material sich im Raum befindet.
Vereinfachend kann daraus geschlossen werden:
Viele schallabsorbierende Flächen -> kurzer Nachhall
Viele schallharte Flächen -> langer Nachhall
Einfluss der Geometrie
Schließlich hat aber nicht nur die Materialisierung, sondern auch die Geometrie, d.h. die Raumform einen Einfluss auf die Akustik. In Vortragssälen, Theatern, Opernhäusern und Konzertsälen ist die richtige Raumform äußerst wichtig. Zwar spielt sie in Alltagsräumen eine weniger entscheidende Rolle, muss aber bei der akustischen Gestaltung trotzdem unbedingt mit beachtet werden.
Mit Raumteilern und Stellwänden können in Restaurant und in Büros unterschiedliche Bereiche gegenseitig vom Lärm abgeschirmt werden. Findet der Schall aber einen Umweg über eine schallharte Fläche, wie die Decke oder eine Wand, ist die Abschirmwirkung nur gering. An diesen Flächen braucht es Schallabsorption.
Eine weitere Frage ist die Gefahr von Flatterechos, welche sich zwischen zwei glatten parallelen Flächen bilden können, besonders, wenn andere Flächen des Raumes schallabsorbierend sind. Durch starkes Strukturieren der Wände, deren Schrägstellen oder zumindest teilweisem schallabsorbierendem Verkleiden kann der lästige Effekt vermieden werden
Akustisch Anforderungen für Restaurants – technisch im Detail
Es gibt keine etablierten Anforderungen für Restaurants. Die folgende technische und etwas detaillierte Betrachtung zeigt, dass die Vorstellungen auseinanderklaffen.
Gemäß DIN 18041 fallen Restaurant unter die Gruppe B3. Die Empfehlung für Restaurant lautet dort für die Frequenzen von 250 Hz bis 2’000 Hz:
A/V ≥ 0.20 für Raumhöhen h £ 2.5 m und A/V ≥ [3.13+4.69lg(h)]-1 für Raumhöhen h > 2.5 m.
Dabei ist A die sogenannte Äquivalente Absorptionsfläche, welche eine Kenngröße für die Fläche und Wirksamkeit der eingebrachten Schallabsorber ist. V ist das Raumvolumen und h die Höhe des Raumes.
Holger Rindel gibt in einer Publikation eine andere Anforderung für die Nachhallzeit T (Rindel 2018):
T £ 0.63 V/N
Dabei ist N die Anzahl Personen im Restaurant.
Und Paul Battaglia (Battaglia 2015) empfiehlt, dass die Nachhallzeit in folgenden Bereich liegen soll:
0.5 £ T £ 0.7 Sekunden
Was bedeutet dies für ein Restaurant mit 50 Plätzen, einem Raumvolumen V von 300 m3 und einer Raumhöhe h von 2.8 m? Wenn man die DIN 18041 umrechnet auf eine Nachhallzeit, ergibt sich die Empfehlung von T £ 0.85 Sekunden. Gemäß Rindel wären es T £ 0.38 Sekunden. Der Bereich von Battaglia liegt dazwischen.
Aus Erfahrung des Autors mit Klagen in Restaurants genügen die Empfehlung gemäß DIN 18041 in der Regel nicht. Es muss deshalb empfohlen werden, den strengeren Empfehlungen zu folgen.
Wenig Lärm und ein guter Klangraum
In Restaurants und Foyers kann somit durch das Einbringen von schallabsorbierenden Flächen an Decke und Wänden viel für eine gute akustische Gestaltung getan werden. Oft ist es sinnvoll, diese Gestaltungselemente zu ergänzen mit schallabsorbierenden Möbel, Raumteilern oder Vorhängen. Auf dem Markt findet sich eine Vielfalt von verschiedenen Produkten. Die Ausrede, Schallabsorber würden die Gestaltungsfreiheit eingrenzen, gilt schon lang nicht mehr. Bei einfacheren Räumen können bei der Planung oft die Regeln der Normen verwendet werden, wobei die Unterstützung durch Akustikfachleute hilfreich sein kann. Bei anspruchsvolleren Räumen, wie Vortrags- oder Konferenzsälen ist eine Akustikberatung mit entsprechenden Berechnungen erforderlich.
Gehört Lärm einfach dazu?
Heißer Sommerabend in Zürich. Nach einer hitzigen Bausitzung treffen sich Architekt, Bauphysiker und Akustikerin zum Bier und zu einem Häppchen im Freien in einer Gartenwirtschaft. Nicht alle Arbeitspunkte konnten vorgängig behandelt werden. Die Diskussionen gehen rege weiter. Der Architekt und die Akustikerin ereifern sich über (scheinbare?) Widersprüche von guter Gestaltung und Akustik. Ein Gewitter naht, erste Regentropfen fallen. Wie alle anderen Gäste wechseln die drei ins Restaurant, in einen architektonisch außerordentlich gut gestalteten Raum, der sich allerdings auch als außerordentlich lärmig erweist. Die Diskussion wird schwierig, die beiden Hitzköpfe, müssen immer lauter reden. Dem Kollege Bauphysiker ist es zu laut, er kann der Unterhaltung nicht mehr gut folgen – und er verlässt die Runde. Nachdem das Gewitter abgezogen ist, fragen sich Architekt und Akustikerin gemeinsam, ob nicht doch gute Gestaltung, wenig Lärm und guter Klang unter einem Dach möglich wären.
Wirkung schlechter Akustik in Räumen
Viele Klagen über lärmige Klassenzimmer, Restaurants und Büroräume lassen vermuten, dass die Architektur dem Hören eine zu geringe Bedeutung zumisst. Schricker, ein „gut hörender“ deutscher Innenarchitekt, äußert sich an einer Stelle in seinem Fachbuch „Kreative Raum-Akustik“ so:
Erstaunlich ist, dass offenbar selbst die erfolgreichen Designer und Architekten alle mit offenen Augen aber bei völliger Taubheit entwerfen.
Man kann aber erfreut feststellen, dass in den letzten Jahren das Hören wiederentdeckt wurde. In der Architektur ist akzeptiert, dass beim Entwurf von Konzertsälen die Akustik eine große Rolle spielt und keine Kompromisse eingegangen werden dürfen. Beim Wettbewerb für das neue Konzerthaus in München im Jahr 2017 spielte die Akustik eine herausragende Rolle – und auch jetzt, wo es um die weitere Planung des Siegerprojektes geht.
Wie steht es aber um die Akustik und den Lärm in weniger prestigeträchtigen Räumen?
In der Sorge um ein gutes Lernen und Lehren sind zum Glück zunehmend Aktivitäten für eine gute Akustik und weniger Lärm in Klassenzimmern zu verzeichnen. So wird in Italien in Kürze die Norm UNI 11532-2 zur Raumakustik in Schulen veröffentlicht, welche sich an die anerkannte Deutsche Norm DIN 18041 anlehnt.
Bei anderen Räumen des Alltags ist das Bewusstsein für Lärm noch gering. Aber immerhin: bei Restaurants besteht ein Druck von Hörbehinderten, welche auf der Basis von Behindertengleichstellungsgesetzen im Sinne des barrierefreien Bauens argumentieren. Aber auch Normalhörende wehren sich immer mehr für eine gute Akustik. Im Zürcher Tagesanzeiger waren die folgenden Schlagzeilen zu lesen:
Lärm schlägt auf den Magen und Bitte leise: Unsere zwölf liebsten ruhigen Restaurants
In einer kürzlich veröffentlichen amerikanischen Umfrage mit 13’000 Gästen wurden Faktoren ermittelt, welche zur Kundenzufriedenheit beitragen (Zagat Release 2018). Lärm wurde dabei von 24% der Teilnehmenden als die am höchsten eingestufte Störung angegeben, gefolgt von Service (23%), große Anzahl Gäste (15%) und hohen Preisen (12%). Eine deutsche Forschungsarbeit, die im Herbst 2019 an einer Akustik-Konferenz in Amsterdam vorgestellt wurde, zeigte ebenfalls, dass Lärm einen deutlichen Einfluss hat auf die Kundenzufriedenheit in Restaurants hat (siehe Abbildung 1). Zudem ergab eine wissenschaftliche Untersuchung, dass laute Hintergrundgeräusche die Geschmacksempfindungen negativ beeinflussen (Woods 2011).
Was nützt gute architektonische Gestaltung und eine vorzügliche Küche, wenn die Gäste das Essen nicht genießen können?
Abbildung 1 Mittlere „Angenehmheit“ (Pleasantness) in verschiedenen Restaurants in Abhängigkeit vom der Lautstärke (LAeq15′). Je lauter umso weniger zufrieden sind die Gäste. (Wilczek, Steffens, Weinzierl, Amsterdam 2019)
Akustische Wirkung von Materialien
Die Akustik in einem Raum ist damit zu einem wesentlichen Teil von der Materialisierung abhängig. Wie verschiedene Materialien akustisch wirken, oder konkret, wie stark sie Schall schlucken, kann etwa wie folgt zusammengefasst werden:
nicht absorbierend:
Beton, Mauerwerk, massives Holz, Glas,
im Tieftonbereich absorbierend:
Platten aus Holz, Gips oder Blech (alle möglichst hinterfüllt mit porösem Absorber), Helmholtzresonatoren, Verbundplattenresonatoren, Möbel, Fenster,
im Mittel- und Hochtonbereich absorbierend:
Poröse Materialien: z. B. Mineralfaserplatten, offenporiger Schaumstoff, gelochte/geschlitzte Platten hinterfüllt mit porösen Materialien, schwere Vorhänge, gut gepolsterte Möbel. Möbel mit speziellen schallabsorbierenden Oberflächen, (sehr) dicke Teppiche, Personen und Publikum.
Im so genannten Hallraum in akustischen Labors kann der Schallabsorptionsgrad as abhängig von der Frequenz exakt gemessen werden. Die Daten sind notwendig für akustische Berechnungen. Je höher der Schallabsorptionsgrad, umso besser schluckt der Absorber den Schall. Meistens bietet sich die Deckenfläche an, um die Schallabsorber zu platzieren. Oft sind aber auch zusätzlich Absorber an Wandflächen notwendig, um die akustischen Anforderungen zu erreichen.
Anforderungen
Eine anerkannte Norm für die Raumakustik ist die deutsche DIN 18041 „Hörsamkeit in kleinen und mittelgroßen Räumen“, revidiert im Jahr 2016. Sie unterscheidet zwei Gruppen von Räumen.
Gruppe A: Anforderungen an die Hörsamkeit über mittlere und grössere Entfernungen wie z. B. Unterrichtsräume in Schulen, Gruppenräume in Kindertageseinrichtungen, Konferenzräume, Gerichts- und Ratssäle, Seminarräume, Hörsäle, Tagungsräume, Sport- und Schwimmhallen.
Gruppe B: Empfehlungen für die Hörsamkeit über geringe Entfernungen wie z. B. Verkehrsflächen mit Aufenthaltsqualität, Speiseräume, Kantinen, Spielflure und Umkleiden in Schulen und Kindertageseinrichtungen, Eingangshallen, Schalterhallen.
Die Räume der Gruppe A erfordern einen etwas größeren Aufwand für die akustische Gestaltung. Es sind abhängig vom Raumvolumen und der Frequenz optimale Nachhallzeiten festgelegt. Zudem sind Hinweise auf Volumen und Form der Räume gegeben.
Bei den Räumen in der Kategorie B geht es primär darum, durch Einbringen von schallabsorbierenden Flächen den Nachhall und damit den Lärmpegel zu vermindern. Die erforderliche Fläche kann aus der Norm relativ einfach ermittelt werden.
Akustische Gestaltung im Restaurant
Was aber ist nun konkret im Restaurant zu tun?
Im idealen Restaurant hat es genügend Raum für die Gäste. An der Decke findet sich eine angemessene Fläche mit gut schallabsorbierenden Material welches in allen Frequenzbereichen wirksam ist. Die Ausbreitung des Schalls wird durch Raumteiler verminderte. Insgesamt wird es dadurch nicht zu laut und die akustische Ambiance (der Klangraum) kann schliesslich auf den Typ des Restaurants angepasst werden.
Schwierig sind Situationen, wo der Gastraum dicht bestuhlt ist. Es ist nachvollziehbar, dass durch viele Gäste welche nahe beieinandersitzen, ein hoher Geräuschpegel erzeugt wird. Hier geht es nicht ohne hochgradige Schallabsorption an Decken und Wänden. Devise: So viel Absorption wie möglich. Vorteilhaft wären auch in dieser Situation auf jeden Fall Raumteiler, aber dafür hat es dann eben gar keinen Platz mehr.
Abbildung 3Akustik und Raum AG
Literatur, Hinweis auf Normen:
Christian Nocke, Raumakustik im Alltag. Hören, Planen, Verstehen. Fraunhofer IRB Verlag 2019
DIN 18041: Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung. Berlin: Beuth Verlag, 2016.
Akustische Anforderungen in Alltagsräumen
Kategorie: Pichler Wiki, Wissenswertes
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