Zertifizierungen – Nachhaltigkeit für die Zukunft sichern
Zertifizierungen – Nachhaltigkeit für die Zukunft sichern
Zertifizierungen gewinnen immer mehr an Bedeutung, sei es im Handel als auch im Handwerk. Im Gespräch mit Hans Röhrs, Vorstand der Wirtschaftskammer bei FSC® Deutschland, wollen wir wissen welche Nachhaltigkeitsnachweise besonders für Südtirol interessant sind und welche Bedeutung die Begriffe FSC® und PEFC™ haben.
Interview mit Herrn Röhrs
Vorstand der Wirtschaftskammer bei FSC® Deutschland
Wofür steht der Begriff FSC®?
FSC® steht für „Forest Stewardship Council®“ und ist ein internationales Zertifizierungssystem für Waldwirtschaft. Zehn weltweit gültige Prinzipien garantieren, dass Holz- und Papierprodukte mit dem FSC®- Siegel aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern stammen. Diese Prinzipien sind in einem internationalen Standard festgelegt. Der FSC®- Standard schreibt vor, dass die ökologischen Funktionen eines Waldes erhalten bleiben müssen, er schützt vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten und sichert die Rechte von Anwohnern und Arbeitnehmern. In Italien beträgt die FSC® zertifizierte Waldfläche ca. 64.000 ha.
Wofür steht der Begriff PEFC™?
PEFC™ steht für „Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes”. Auch PEFC™ ist ein internationales Zertifizierungssystem für Waldwirtschaft und definiert Anforderungen an eine nachhaltige Bewirtschaftung. PEFC™ wurde 1999 auf Initiative von Vertretern der Forst- und Holzwirtschaft und mit Bezug auf die europäische Ministerkonferenz zum Schutze der Wälder in Europa gegründet. Auch PEFC™ formuliert international gültige Anforderungen an die Forstwirtschaft, die dann die Grundlage für die regionalen Ausprägungen bilden. In Italien sind immerhin 800.000 ha. Waldfläche nach PEFC™ zertifiziert.
Was ist der maßgebliche Unterschied zwischen FSC® und PEFC™?
Die FSC® -Zertifizierung eines Waldes setzt eine sehr anspruchsvolle Überprüfung durch externe Zertifizierungsgesellschaften voraus. Nach der Ausstellung des Zertifikates werden die zertifizierten Forstbetriebe weiterhin jährlich geprüft. Die Ergebnisse der Prüfungen sind öffentlich zugänglich.
Die PEFC™-Zertifizierung erfolgt grundsätzlich auf einer „Regionszertifizierung“. Entsprechen die Anforderungen z.B. der regionalen Forstgesetze den Grundsätzen von PEFC™, können Wälder in diesen Regionen ohne eine vorherige Vor-Ort-Prüfung zertifiziert werden. Besondere Ansprüche im Hinblick auf Nachhaltigkeit werden durch eine durch den Waldbesitzer zu unterzeichnende Selbsterklärung anerkannt. Eine regelmäßige Überwachung nach der Zertifizierung ist nicht vorgesehen, sondern erfolgt auf der Grundlage von Stichproben.
Wann spricht man von einem Mix?
In beiden Systemen stößt man auf das „Mix“-Phänomen. „Mix“ ermöglicht es, Produkte auf den Markt zu bringen, die neben zertifizierten Materialien auch Material aus nicht-zertifizierten Wäldern enthalten. Diese nicht-zertifizierten Materialien müssen allerdings genau definierte Mindestanforderungen erfüllen. Die Anforderungen an nicht-zertifiziertes Material werden vom FSC® Controlled Wood Standard vorgegeben bzw. bei PEFC™ über die Kriterien hinsichtlich des Materials aus kontrollierten Quellen beschrieben. In beiden Fällen wird genau festgelegt, wie Unternehmen den Nachweis erbringen müssen, dass das nicht zertifizierte Material die geforderten Ansprüche erfüllt.
Welche Funktion hat die Nachhaltigkeit bei der öffentlichen Beschaffung?
Staatliche Institutionen sind starke Nachfrageakteure. Insbesondere, wenn es um Bau- und Renovierungsvorhaben geht, spielen dabei Holz- und Holzwerkstoffe eine große Rolle. In immer mehr Ländern Europas geben sich die öffentlichen Institutionen Richtlinien für nachhaltige Beschaffung. Neben einer symbolischen Vorbildfunktion für die private Beschaffung und den Konsum von Verbrauchern schafft diese Nachfrage Märkte für nachhaltige Produkte. In Deutschland z.B. wird die nachhaltige Beschaffung verknüpft mit Zielstellungen hinsichtlich der Reduktion der CO2-Emissionen. Auch wenn heute noch nicht in aller Entschlossenheit die schon bestehenden Beschaffungsrichtlinien eingehalten werden, ist doch eine Entwicklung zu einer höheren Konsequenz zu beobachten. Unternehmen, die Gewerke für öffentliche Einrichtungen verrichten oder Produkte an diese Einrichtungen Liefern, werden immer öfter damit konfrontiert, Nachhaltigkeitsnachweise zu erbringen. Für Holz- und Holzprodukte werden grundsätzlich als Nachweis die Systeme nach FSC® und PEFC™ anerkannt.
Worum geht es bei dem Thema der Gefährdungen?
Das Thema der Gefährdungen wird durch Normen und zum Teil auch gesetzliche Regelungen abgebildet. Dabei geht es vor allem um Formaldehydemissionen insbesondere aus Holzwerkstoffen. Ein wichtiges Thema, schließlich ist Formaldehyd als krebserregend eingestuft. Darum ist es gut, dass es eine Entwicklung hin zu emissionsärmeren bis hin zu formaldehydfreien Holzwerkstoffen gibt. Möbelhersteller – allen voran Ikea – haben schon auf Holzwerkstoffe umgestellt, die die CARB II – Vorgaben erfüllen. Bei CARB II liegen die Grenzwerte für Spanplatten unter denen der bekannten E1 Regelung. Höhere Anforderungen gehen natürlich einher mit einem immer weiter ansteigenden Dokumentations- und Nachweis-Aufwand. Beginnend beim Hersteller werden über den Handel bis hin zum verarbeitenden Gewerk Dokumentationsketten notwendig.
Welche Nachhaltigkeitsnachweise sind für Südtirol von grundlegender Bedeutung?
Der öffentliche Sektor ist ein großer Nachfrager im Hinblick auf Bau- und Renovierungsmaßnahmen. Darum sieht die Politik hier einen guten Ansatz, ihre Ziele im Hinblick auf Umweltverträglichkeit und CO2-Reduktion mit Substanz zu unterlegen und eine Vorreiterrolle einzunehmen. Eine Form der Konkretisierung ist z.B. in Südtirol der für öffentliche Bauvorhaben anzuwendende „Nationale Aktionsplan des Green Public Procurement – umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen“. Dieser Aktionsplan formuliert Mindestumweltkriterien (MUK), die bei Bauvorhaben einzuhalten und durch die verrichtenden Unternehmen nachzuweisen sind. Auch im Bereich der Privatwirtschaft spielen solche Anforderungskataloge eine immer größere Rolle (Bsp. „Green Building Council Italia“). Im privatwirtschaftlichen Bauen geht es nicht unbedingt darum, „die Welt zu retten“, sondern Gebäude zu errichten, die zukunftsfähig sind und damit langfristig wertiger, als konventionell gebaute Immobilien. Zwei Dinge werden in diesen Anforderungskatalogen bezogen auf Holz- und Holzwerkstoffe aufgegriffen: Gesundheitsschutz/Schutz vor Gefährdungen und Nachhaltigkeit.
Wen betreffen die FSC® und PEFC™ Zertifizierungen?
Für Unternehmen, die viel mit öffentlichen Auftraggebern zu tun haben, ist die Zertifizierung immer mehr Voraussetzung, um im Geschäft zu bleiben. Zusätzlich wachsen die Nachfrager auch im privatwirtschaftlichen Bereich. Green Building – ein Sichtwort, das insbesondere in den Metropolen auch in Italien an Bedeutung gewinnt. Große Bauvorhaben werden unter den Kriterien von LEED (Leadership in Energy und Environmental Design – ein System zur Klassifizierung für ökologisches Bauen) umgesetzt. LEED fordert hinsichtlich des Einsatzes von Holz- und Holzprodukten, dass diese nachweislich nach FSC® oder PEFC™ zertifiziert sein müssen. Auch die CAM-MUK Norm in Italien fordert zertifizierte Produkte.
Was glauben Sie war einer der wichtigsten Gründe warum FSC® gegründet wurde?
Aufgrund der Widerstände gegen Tropenholz z.B. in Europa Anfang der 90er Jahre, waren die Tropenholzbäume wirtschaftlich nicht mehr nutzbar. Die große Welle der Brandrodung und Abholzung setzte ein. Es wurde damit „Platz geschaffen“ für eine kurzfristige landwirtschaftliche Nutzung und vor allem auch für Weiden für Rinderherden zur Burgerproduktion. Daraus wurde FSC® gegründet und die Gründerväter waren neben Vertretern der Wirtschaft Umweltverbände und Gewerkschaftsvertreter.
Was raten Sie unseren mittelständischen Handwerksbetrieben zu Zertifizierungen FSC und PEFC betreffend Nachhaltigkeit?
Der Handwerker muss wissen was seine Kundenstruktur ist. Wenn der Handwerker viel mit Aufträgen im öffentlichen Bereich oder auch mit dem LEED System zu tun hat lohnt es sich in diese Zertifizierungen 2.000€ pro Jahr zu investieren. Dies gewährleistet nicht nur ein besseres Verständnis der Zertifizierungssysteme, sondern auch größere Sicherheit. Wenn dies jedoch nur ab und zu der Fall sein sollte, dann ist es vielleicht keine vernünftige Investition.
Wo hat PEFC™ seinen Ursprung und warum wurde es gegründet?
PEFC™ hat seinen Ursprung in Europa. Grundlage für das PEFC™-System war und ist der hohe Grad der Anforderungen aus den Forstgesetzen in Europa. Die PEFC™-Gründung kann auch ein wenig als Gegenpol zu FSC® angesehen werden. Die europäische Holzwirtschaft wollte sich nicht „diskreditieren“ lassen. Gründerväter von PEFC™ waren Vertreter aus der Holz- und Forstwirtschaft.
Welche Bedeutung hat der Begriff Nachhaltigkeit?
Der Begriff der Nachhaltigkeit geht auf den Freiberger Oberberghauptmann Carl von Carlowitz (1645–1714) und die Waldwirtschaft zurück. Carlowitz zufolge sollte in einem Wald nur so viel abgeholzt werden, wie sich binnen gewisser Zeit auf natürliche Weise regenerieren konnte. Die Rede war von einer „klugen Art der Waldbewirtschaftung“ und „einer beständigen und nachhaltenden Nutzung des Waldes“. Das Prinzip Nachhaltigkeit sollte also sicherstellen, dass ein regeneratives, natürliches System in seinen wesentlichen Eigenschaften dauerhaft erhalten bleibt. Damit war der Grundstein zum Verständnis von Nachhaltigkeit als ressourcenökonomisches Prinzip gelegt.
Welche Unterschiede in der Vergabe der FSC® und PEFC™ Zertifizierungen gibt es im Handel und im Handwerk?
Im Handel ist es ganz einfach. Das Material wird in der Regel nicht bearbeitet oder zusammengebaut und die notwendigen Prozesse sind bereits ausreichend dokumentiert. Im Handwerk kommt die Bearbeitung dazu. Dabei entsteht Verschnitt. Der muss dann zusätzlich dokumentiert werden. Schließlich ist der Grundsatz der Zertifizierung, dass niemals mehr Material aus dem Unternehmen rausgehen darf, als eingekauft wurde. Dies gilt es, in einer Mengenaufstellung abzubilden. Neben Anfangsbestand, Zugang, Abgang und Endbestand braucht es im Handwerk darum noch die Rubrik Verschnitt oder Abfall.
Die Grundlage bilden immer die Chain of Custody-Regelwerke (Coc) der Zertifizierungssysteme FSC® bzw. PEFC™. Bis auf ganz kleine Unterschiede sind hier die Anforderungen beider Systeme gleich und solange es nicht um umfangreiche Produktionsprozesse geht, ist der Aufwand nicht hoch. Unkenntnis, Polemik, Erkenntnisse vom „hören sagen“ lassen die Zertifizierung als teuer, belastend, überbürokratisch erscheinen. Auch der eine oder andere Berater erhöht manchmal den Eindruck der Komplexität, um sein Beratungsvolumen hoch zu halten.
Zertifizierungen – Nachhaltigkeit für die Zukunft sichern
Kategorie: Normen & Richtlinien, Wissenswertes
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